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Formel chancenlos

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Formel 1Liquiditätsprobleme gehören seit Jahrzehnten zur Formel 1. Teams und Fahrer ohne die nötige finanzielle Power gab es schon immer. Aber in diesen Tagen hat dieses Übel eine neue Dimension erreicht: Betroffen ist das halbe Teilnehmerfeld. Sogar etablierte Teams wie Sauber oder Lotus kämpfen mit finanziellen Problemen.

Die Ursache sind Systemfehler, die über Jahre entstanden und immer schlimmer geworden sind. So haben sich die Jahresetats der Spitzenteams in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt, ebenso die Personalbestände. Traditionsrennställe wie Arrows, Tyrrell, Ligier und zuletzt Jordan und Minardi, wurden alle Opfer der ausufernden Kosten. Dabei sind es gerade solche Privatteams, die der Formel 1 die nötige Abwechslung verleihen. Denn Teams wie diese leben den Rennsport, sind häufig aus verwandten Serien kommend in die F1 eingestiegen. Ein Automobilhersteller hingegen zieht den Stecker, wenn die F1 nicht mehr in die Imagestrategie passt. Beispiele gab es mit Toyota, Honda oder BMW genug. Deshalb braucht die Formel 1 die mittleren und kleinen Teams, die nicht nur aus Prestigegründen dabei sind.

Kosten

Eines der Hauptprobleme sind die Basiskosten eines Teams. Diejenigen Ausgaben also, die für den Betrieb über ein Jahr Formel 1 anfallen. Diese müssen wieder soweit reduziert werden, dass nicht das halbe Teilnehmerfeld von der Hand in den Mund lebt.

Pat Symonds (ehemals Benetton, Renault), Technikchef bei Marrussia, schildert die aktuellen Betriebskosten für ein F1-Team wie folgt:

„Man muss sich im Klaren sein, dass eine Woche Formel 1 1,25 Millionen Pfund kostet. Damit kannst du die Autos bauen und zu den Rennen bringen, und sie zwischen den Rennen auseinander- und wieder zusammenbauen. Alles, was du zusätzlich an Geld reinsteckst, wird dazu verwendet das Auto schneller zu machen. Wir haben also 60 Millionen für 50 Wochen Dabeisein.“

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Marussia gibt in diesem Jahr 60 Millionen Pfund aus, nur um den letzten Platz zu belegen. Gegenüber Auto Motor und Sport erklärt Symonds weiter, dass das heutige Level der Fertigung und Perfektion die Kosten haben explodieren lassen. Im Klartext heisst das: Im Zweifelsfall wird ein Teil ersetzt, obwohl es vielleicht noch einen weiteren Grand Prix überstehen würde. Aber Ausfälle werden nicht mehr toleriert, also wird es ersetzt.

Was das heisst, zeigt ein Blick auf die durschnittliche Ausfallrate pro Team und Saison in den letzten 20 Jahren:

JahrAusfallrate *
199350%
199447%
199558%
199648%
199757%
199849%
199961%
200049%
200138%
200248%
200332%
200435%
200526%
200644%
200742%
200828%
200932%
201030%
201120%
201220%
* Die durchschnittliche Ausfallrate der teilnehmenden Autos. Es wurden je nach Saison unterschiedlich viele GPs gefahren.

Die Fehlerintoleranz ist jedoch nur eine Seite. Ausser für Technikfreaks ist das Innenleben eines F1-Autos für die meisten Zuschauer und Motorsportfans uninteressant, und nur Mittel zum Zweck. Da stellt sich stellvertretend die Frage, ob die ganze Karosserie, die Aufhängung, ja sogar die Bremsscheiben aus Karbon gefertigt werden müssen. Solche Komponenten könnten problemlos durch Einheitsteile ersetzt werden, die günstiger, und in manchen Fällen sogar noch zweckmässiger wären. So würden z.B. Stahlbremsen die Bremswege erhöhen, wodurch der Bremsvorgang insgesamt länger wird, und die Fahrer mehr Spielraum für Überholvorgänge erhielten.

Instabile technische Reglemente

Zwar waren die vergangenen 3-4 Jahre moderater, jedoch höchstens die Ausnahme der Regel. In den letzten 15 Jahren hat sich das technische Reglement dermassen oft geändert, dass es praktisch unmöglich ist, die Basis eines Autos, oder Teile davon, ins nächste Jahr mitzunehmen. Es gehörte zum guten Ton bei der alljährlichen Präsentation des neuen Fahrzeugs zu betonen, dass praktisch nichts vom Vorgänger übernommen wurde.

Eine solche Materialschlacht ist von kleinen und mittleren Teams kaum zu bewältigen. Bei den Top-Teams hat sich deshalb die Belegschaft in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt. Die Folge ist ein sportlicher Graben, der mittlerweile ein wahrer Abgrund ist. Während ein 60 Mann starkes Rennteam bei allen Teams in etwa gleich aussieht, offenbaren sich bei der technischen Entwicklung riesige Unterschiede. Wie gross die Kluft zwischen reich und arm geworden ist umschreibt Pat Symonds mit konkreten Zahlen:

„Wenn Sie 200 Millionen wie Red Bull haben, brauchen Sie auch nur 60 Millionen, um zu den Rennen zu fahren. Der ganze Rest ist dazu da, Rundenzeit zu finden. Sie können also nicht 200 gegen 60 Millionen rechnen, sondern 140 gegen zwei. Und das killt die kleinen Teams.

Ungleiche Provisionsausschüttung

Wer hat, dem wird gegeben. Das trifft seit Jahren auch auf die Formel 1 zu. Im Concorde Agreement wird die kommerzielle Seite der F1 für die beteiligten Teams geregelt. Nur geschieht das seit Jahren in einem undurchsichtigen Geflecht aus Aufschlüsselungen und Sonderregelungen. Wer aus den Einnahmen aus TV-Rechten und Vermarktung wieviel erhält, ist in eben diesem Abkommen festgehalten.

Harte Fakten wie das Abschneiden in der Konstrukteurswertung und die erzielten Punkte spielen ebenso eine Rolle, wie andere Dinge. Je länger ein Team dabei ist, desto höher auch der Prämienanteil. Soweit die Fakten. Wer einen hohen politischen Einfluss auf die F1 aufgebaut hat, der kommt ausserdem in den Genuss von Zusatzgeldern. Das gilt für Ferrari ebenso, wie neuerdings auch für das politische Schwergewicht Red Bull. Diese Zweiklassen-Gesellschaft ist durch die Intransparenz dieses Concorde-Agreements nur immer noch grösser geworden.

Wo bleiben die Lösungen?

Es bleibt die Hoffnung, dass die von Bernie Ecclestone ausgelebte Kontrolle über die Vermarktung bald einmal zu Ende geht. Dann wäre der Weg frei für eine Lösung, die transparent und für alle gleich ausfällt. Der wichtigste zu lösende Punkt ist jedoch die Kostenreduktion. Ein Kostendach halte ich persönlich für nicht kontrollierbar. Ich würde versuchen mit klaren technischen und sportlichen Reglementen die Aufwände möglichst tief zu halten. Wie könnte das aussehen:

  • Personal auf dem Rennplatz beschränken
  • Personal insgesamt bei einem Team beschränken
  • „Unsichtbare“ Komponenten durch Einheitslieferanten abdecken (z.B. Bremsen, Aufhängungsteile, Kühler, Unterboden, Lenkrad, etc)

Die Personalkosten sind mitunter die grössten in einem Unternehmen. Deshalb würde ich da den Hebel zuerst ansetzen. Weniger Personal, gleich tiefere Kosten. Ausserdem würde man den Teams dadurch gleich noch die Ressourcen beschränken. Dringenden Handlungsbedarf sehe ich auch beim Material. Es ist geradezu verrückt, dass jedes Team, für jede Saison ein komplettes Auto aus dem Boden stampft, und dabei kaum eine Schraube des Vorgängers übernommen wird. Dabei liesse sich mit Standard-Teilen, die aus entwicklungstechnischer Sicht komplett uninteressant sind, eine Menge einsparen.

Eine Kostenreduktion ist nicht mehr ein Nice-to-have. Sie muss jetzt kommen, und zwar schnell. Es ist zu hoffen, dass die jüngsten Fälle von Sauber und Lotus allen Beteiligten gezeigt haben, dass es fünf nach Zwölf ist. Wenn nicht bald Nägel mit Köpfen gemacht werden, dann fürchte ich wird die Formel 1 weitere Teams verlieren. Und es wäre schade, wenn die Spitzenteams erst dann realisieren würden, dass nur jemand Rennen gewinnen kann, wenn es auch Gegner gibt.

Quelle Daten zur Ausfallrate: Motorsport-Total Datenbank
Foto © storm – Fotolia.com

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